Zur Orgelgeschichte der evangelischen Kirche Eckenhagen

Ein Bericht von Dr. Franz-Josef Vogt

Zum Kirchenbau - Eckenhagener brachten große Opfer für Wiederaufbau der Kirche -
Barockkirche Eckenhagen
Barockorgel Eckenhagen
Barockkirche Eckenhagen

Ein verheerender Brand vernichtete im April 1777 im Dorf 47 Häuser sowie die Schule und zerstörte die Kirche mit Glocken und Orgel weitgehend.

Tatkräftig kümmerte sich Pfarrer Johann Christoph Büren (1744-1778) um den Wiederaufbau der ausgebrannten Kirche. Möglich wurde dies durch große Schenkungen aus Holland, durch Kollekten, durch Hand- und Spanndienste sowie durch käufliche Erwerbung der Kirchensitze.

Nach dem Tod von J. C. Büren führte Pfarrer Johann Friedrich Hundhausen (1750-1829) vornehmlich mit der Beschaffung der Innenausstattung das begonnene Werk fort, welches 1795 mit dem Einbau der neuen Orgel seinen krönenden Abschluss fand.

Zur Orgelbauerfamilie - Johann Henrich Kleine erwies sich als „sehr emsig und geflissen“ -
Orgelbauer Johann Heinrich Kleine
Orgelbauer Johann Heinrich Kleine

Der um 1693 in Freckhausen geborene und dort 1773 verstorbene Johann Heinrich Kleine wäre der älteste nachweisbarer Vertreter der Familie, der als Orgelbauer tätig gewesen ist.

Von ihm ist bekannt, dass er zwischen 1713 und 1721 in Ratingen bei Peter Weidtmann dem Älteren (1647-1715) und dessen Sohn, die als erste evangelische Orgelbauer im Rheinland wirkten, sein Handwerk erlernt hat. Bei seiner dortigen Tätigkeit ist Kleine mit dem niederländischen Orgelbau indirekt und direkt durch seine Beteiligung beim Aufbau der Orgel in der Remonstrantse Kerk von Amsterdam (1719) in Berührung gekommen. Nach seiner Rückkehr aus Ratingen eröffnete Johann Heinrich Kleine 1721 oder 1722 in Freckhausen eine eigene Werkstatt.

Seine Söhne Johann Christian (1737-1805) und Johann Gerhard Kleine (1741-1787) übernahmen 1768 die väterliche Werkstatt und führten sie nach dem Tod ihres Vaters eigenverantwortlich weiter.

Verglichen mit anderen zeitgenössischen Orgelbauern scheint sich vor allem Johann Christian Kleine recht ausgiebig mit der Theorie seines Handwerks beschäftigt zu haben. Seine Prospekt- und Detailzeichnungen bestechen durch ihre Genauigkeit und Anschaulichkeit. Sie leisteten bei der Restaurierung der Eckenhagener Orgel, vor allem bei der Rekonstruktion fehlender Teile, wertvolle Dienste.

Nachfolger von Kleine wurde dessen Neffe Georg Wilhelm Christian Roetzel (1776-1867), der nach der Lehrzeit bei seinem Onkel (1793-1798) in Kassel, Hannover und Leipzig als Geselle gearbeitet hatte. Er kehrte 1800 nach Hause zurück und übernahm 1803 die Werkstatt, die er 1806 nach Alpe verlegte.

Zum Orgelbau - Konkurrenz zwischen Kleine und Nohl -
Orgelbau Barockorgel Eckenhagen
Orgelbau Barockorgel Eckenhagen
Orgelbau Barockorgel Eckenhagen

Nachdem das beim Brand von 1777 verwüstete Kirchenschiff soweit wiederhergestellt war, gab es auch Überlegungen für einen Orgelneubau.

In seinem Angebot von 1782 unterbot Franz Georg Nohl seinen Konkurrenten Johann Christian Kleine bei einer allerdings wesentlich kleineren Disposition um 400 Taler. Gutachter entschieden sich trotzdem für den Entwurf von Kleine, da dieser der Größe der Kirche am ehesten entspräche. Der Kirchenvorstand schloss sich diesem Votum an und vergab 1783 den Auftrag dementsprechend.

Die prekäre finanzielle Lage verzögerte aber die Ausführung um einige Jahre. Dieser Umstand veranlasste den Sohn von Franz Georg Nohl, über neue Verhandlungen und Bestechung doch noch den Auftrag zu bekommen. Ohne Erfolg. Auf Osterdienstag 1793 zahlte der Kirchenvorstand Vorschuss-Gelder an Kleine, der daraufhin seine Planungen beschleunigte und sich spätestens gegen Ende dieses Jahres an die Arbeit machte.

Das Orgelgehäuse und die von Höchstätter in Drolshagen angefertigten Schnitzereien wurden im November 1794 mit Fuhrwerken zur Kirche gebracht, im Frühjahr 1795 folgten Pfeifen, Windladen und Trakturen, die dann von Kleine und seinen Gesellen eingebaut wurden. Die anschließende Intonation und Stimmung nahmen 351/2 Tage in Anspruch. Am 24. Juli 1795 konnte das fertige Orgel­werk an die Gemeinde übergeben werden.

Auf die Vertragssumme von insgesamt 1700 Talern wurde am 4. Dezember 1795 ein Restbetrag von 200 Talern an Kleine ausgezahlt. Daraus ist zu schließen, dass die Orgel vertragsgemäß ausgeführt worden und zur Zufriedenheit der Auftraggeber ausgefallen war.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts waren Chrinstian Roetzel (1776-1867), dessen Sohn Daniel Roetzel (1830-1917) und Gerhard Nohl mit dem Unterhalt und diversen Umbauten des Instruments betraut, die alle zur Zufriedenheit ausgeführt wurden. Zwischen 1864 und 1914 bestand ein Wartungsvertrag mit Daniel Roetzel.

Zur Orgelgeschichte - Von notwendigen Eingriffen bis zu Fehlschlägen -

Viele Nachbargemeinden gingen nach 1900 daran, neue, moderne Orgeln zu beschaffen.

Aus finanziellen Gründen musste Eckenhagen sich weiter mit dem vorhandenen Instrument begnügen, und konnte 1918 auch die Pläne für einen Neubau durch die Orgelbauwerkstatt Paul Faust nicht umsetzen. Stattdessen konnte nur „eine gründliche Reinigung, Instandsetzung und Intonation der Orgel“ vorgenommen werden.

Nachdem jahrzehntelang kaum etwas zum Unterhalt des Instruments geschehen war, setzten mit der Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg die Bemühungen für eine Restaurierung ein.

Die ersten Veränderungen 1954/55 durch die Orgelbauwerkstatt Willi Peter, Köln-Mülheim, wären vor dem Hintergrund des damaligen Kenntnisstandes noch zu tolerieren gewesen. Der Eingriff, der zwischen 1970 und 1972 wiederum durch die Werkstatt Peter erfolgte, hatte mit Orgeldenkmalpflege nach heutigem Verständnis nur wenig gemeinsam. Zu vertreten war noch die Überarbeitung der Windladen, die unter gravierenden Trockenschäden gelitten hatten. Alles, was darüber hinaus erfolgte, bedeutete schlichtweg eine Verfälschung der Intentionen des Erbauers.

Durch den Ersatz der vorhandenen Spielmechanik in Holzbauweise durch die in dieser Zeit gerade recht aktuelle Seilzugtechnik, erlitt die Orgel ihren größten Substanzverlust. Jeder Organist, der die Orgel spielte, konnte dies schon nach wenigen Jahren überdeutlich erfahren. An die Stelle einer vermeintlichen Schwergängigkeit war eine schlabbrige, unpräzise Anschlagsart getreten.

Ferner wollte man in dieser Zeit nicht respektieren, dass dieses Instrument nicht der gängigen Stimmtonhöhe entsprach, sondern um einen halben Ton höher stand. Dies führte dazu, dass man die Pfeifen nach oben aufrückte und alle C-Pfeifen neu anfertigte.

Letztendlich muss es bedenklich stimmen, dass innerhalb von etwas mehr als fünfzig Jahren eine erneute dritte Restaurierung erforderlich gewesen ist. im Jahr 2005 ging dieser Auftrag an die Orgelbauwerkstatt Hubert Fasen aus der Eifel.

Zur Restaurierung - Rückbesinnung auf die Intentionen des Erbauers –
Restaurierung Barockorgel Eckenhagen
Restaurierung Barockorgel Eckenhagen
Restaurierung Barockorgel Eckenhagen

Die Arbeiten begannen mit der Erstellung eines Konzeptes basierend auf der Situation vor Ort und Literaturrecherchen. Es erwies sich als Glücksfall, dass sich im Nachlass Roetzels, der im Staatsarchiv in Münster lagert, auch etliche Schriften und Zeichnungen von Johann Christian Kleine befinden.

Wie sich herausstellte, waren darunter detaillierte Ausführungszeichnungen der Eckenhagener Orgel von 1792, anhand derer alle fehlenden Teile, die im Laufe mehrerer Umbauten verloren gegangen waren, originalgetreu rekonstruiert werden konnten. Durch das Vorliegen der Originalzeichnungen und der vorhandenen Teile konnten die ursprünglich verwendeten Maße rekonstruiert werden.

Wir haben für Kleines Werkstatt folgende Maße ermittelt (gemittelte Werte):
1 Fuß (Werkschuh bei Kleine) = 29,01 cm, daraus ergibt sich für den Königsfuß bei Kleine: 1 Fuß = 32,66 cm.

Zum Teil gibt es Abweichungen zwischen den Aufzeichnungen von Kleine und der Ausführung. Die gesamte Spieltraktur, die Windladenträger, die Windanlage und Teile des Pfeifenwerkes waren durch mehrere Umbauten verloren gegangen. Diese modernen Umbauten wurden vollständig zurückgenommen.

Nach dem Abwaschen des Gehäuses wurden an den Rahmen der Gehäuserückwand die originalen Tusche-Aufrisse aus der Kleineschen Werkstatt sichtbar. Diese zeigten die genaue Lage der Windladenträger, die Teilung der Manualtrakturen und die Lage der Kanalstutzen zur Windversorgung der Manualwindladen. Diese Spuren zeigten eine hohe Übereinstimmung mit den vorgefundenen Ausführungsplänen, wodurch das weitere Vorgehen auf gesicherter Grundlage erfolgen konnte.

Außerdem war der Tonumfang im Pedal von original 20 zu unseren modernen 30 Tönen erweitert worden. Der ursprüngliche Pedalumfang von 20 Tönen (C bis g°) hätte eine große Einschränkung bedeutet.

Es wurde eine Kompromisslösung umgesetzt, die es bei einem Tonumfang von 27 Tönen (C – d’) ermöglichte, den Spieltisch in das unveränderte Gehäuse einzubauen. Im Emporenboden fand sich noch ein originales Windkanalstück, das in seinen Abmessungen gut zu den archivierten Zeichnungen passte. Die Lage und Größe der Keilbälge, die ursprünglich zur Windversorgung dienten, musste aus diesen Zeichnungen rekonstruiert werden.

Nachdem das Pfeifenwerk vollständig ausgeräumt war, konnte anhand der Windladenbohrungen die überlieferte Disposition bestätigt und entsprechend zurückgeführt werden.

Während der gesamten Restaurierung wurde konsequent versucht, den Intentionen von Johann Christian Kleine gerecht zu werden, der für seine Zeit und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Hervorragendes geleistet hat.

Zur Restaurierung - Vergleich: vorher und nachher –
SPIELTISCH

Das Spieltischchassis stellte in seiner aufwändigen Konstruktion eine besondere Herausforderung dar.

Insbesondere durch die Erweiterung der Pedaltraktur um sieben Töne war nur wenig Platz für die Koppeleinschaltungen vorhanden. Eine Besonderheit stellt die Forte-Piano-Koppel dar. Der Klaviaturbereich ist aus Nussbaum gefertigt, die Klaviaturleisten haben Wurzelholzeinlagen. Die Registerknöpfe aus Pflaumenholz erhielten neue, handbeschriftete Schilder aus Pergament. Fehlende Knöpfe wurden nachgedrechselt.

TRAKTUR

Die Spieltraktur bestand vor der Restaurierung aus Stahllitze mit Kunststoffführungen. Es waren stilfremde Mechanikteile aus Aluminium und Pertinax vorhanden.
Das neuere Bild zeigt das Pedalwerk mit dem rekonstruierten Wellenbrett. Unter der historischen Windlade hängt die neue Violocello 16‘ – Lade.

TRAKTUR

Der Tragrahmen der Spieltraktur war vor der Restaurierung aus Winkeleisen verschraubt.
Die Spieltrakturen wurden nach Kleines Plänen komplett neu angefertigt. Die Metallärmchen der Wellenrahmen wurden nach einem im Emporenboden aufgefundenen Original nachschmiedet. Alle Hebelverhältnisse konnten exakt aus den sorgfältigen Tuschezeichnungen abgenommen werden.


WINDLADEN MIT TONVENTILEN

Spunddeckel und Windladenanleimer waren stilfremd aus Mahagoni. Untypische Tonventile und „moderne“ parallele Führung im Windkasten sorgten für ein „zähes“ unpräzises Spielgefühl.
Die Ventile sind nun klassisch als angeschwänzte (d.h. mit einem Lederscharnier versehene) Ventile mit einseitigem Trakturangriff ausgeführt. Als Dichtung dient eine doppelte Belederung. Sie sind aus bestem, feinjährigem und abgelagertem Eichenholz gefertigt.



SCHLEIFEN

Die Schleifendichtungen auf der Stockunterseite waren vor der Restaurierung vielfach festgeklemmt und somit undicht und stilfremd.

KONDUKTEN

Vor der Restaurierung waren die Kondukten aus flexiblem Papprohr, die Pfeifen waren z.T. unzugänglich abgeführt. Tragende Stützen waren aus Stahlrohr und Winkelprofilen, die Prospektstöcke z.T. mit Sperrholz und Spanplatte. Die originalen Kondukten waren leider restlos verloren. Um eine gute Lösung zu erhalten, wurden verlötete Bleirohre eingebaut. Die vorhandenen Holzkanäle wurden restauriert.

PFEIFENSTOCK

Das Tragwerk bestand vor der Restaurierung aus Stahlrohr. Alle Stöcke und die meisten Pfeifenbänkchen sind original erhalten. Eine Besonderheit der Kleine-Laden sind die Stockschrauben aus Holz. Alle Stöcke der Manual- und Pedalwindladen sind mit nachgefertigten Holzgewindestangen und Holzmuttern befestigt.

PFEIFENWERK

Vor der Restaurierung wies die Orgel stilfremde Metalpfeifen aus Naturguss auf. Die Pfeifenbänkchen bestanden aus Sperrholz.
Durch Bleifraß angegriffene und beschädigte Pfeifenfüße sind ersetzt worden. Die Metallpfeifen wurden heiß abgewaschen. Die nachträglich eingeschnittenen Stimmrollen wurden zugelötet und beschädigte Pfeifenmündungen wieder repariert.

PFEIFENWERK

Alle Pfeifen sind original oder Rekonstruktionen der Originale entsprechend der originalen Mensurblätter.
Auf dem neueren Bild sieht man das Pfeifenwerk im Positiv während der Intonation. Gut sichtbar sind die Kondukten zu den Prospektpfeifen, links als Verführung im Stock (mit Pergament abgedichtet), rechts die Ausführung in Blei.